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    • klaus
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        Vom Kuriosum zum Lieblingsbeleg mit Fotobeweis

        Die Auswahl eines Lieblingssückes ist wohl für die meisten Sammler eine schwierige Angelegenheit. Ein einziges Stück aus einer lang geführten Sammlung zu fischen ist nahezu unmöglich. So sucht man sich einen besonderen Beleg aus, mit dem man gerade in der jüngeren Vergangenheit viel Freude gehabt hat. In der Regel sind es außergewöhnliche und besondere Frankaturen oder seltene oder exotische Zuleitungen bestimmter Länder.

        Bei meiner Auswahl trifft dies wohl eher weniger zu. Ein besonderer Blickfang ist es nicht gerade und der Erhaltungszustand leider auch nicht einwandfrei. Aber ich habe mit diesem Stück einige Stunden „Detektivarbeit“ investiert, so manches Interessantes dazugelernt und auch neue Kontakte knüpfen können. Außerdem wäre da noch so ein unerwarteter „Zufall“, der einem rätseln lässt, ob es doch noch kleine Wunder geben könnte.

        Vor einiger Zeit entdeckte ich auf einer Auktion folgenden Brief:

        Sieht man sich den Beleg etwas genauer an, entdeckt man ein Kuriosum. Der Brief wurde auf der Weltrundfahrt der Graf Zeppelin im Jahre 1929 befördert, wie man gut an den schönen amerikanischen Bestätigungsstempel, mit abgebildeter Weltkugel, erkennen kann. Aber es ist auch der Sonderstempel aus dem Jahre 1936, zur 1. Nordamerikafahrt der Hindenburg vorhanden.

        Wie kommt es dazu? Nun der Brief wird kaum knapp sieben  Jahre auf zwei verschiedenen Luftschiffen unterwegs gewesen sein. Viel mehr wollte hier ein Sammler, die beiden denkwürdigsten Fahrten zu dieser Zeit, auf einen Beleg vereinen und so ein interessantes Zeitdokument erstellen. Er schickte also einen vorhanden Beleg der Weltrundfahrt sieben Jahre später wieder auf die Reise. Leider ist der Erhaltungszustand nicht ganz perfekt und daher wollte ich das Los schon ruhen lassen, aber ein Detail interessierte mich besonders, daher gab ich ein Gebot ab und konnte den Zuschlag erringen.

        • Dieses Thema wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
      • klaus
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          New York G.P.O.

          Sieht man sich den Entwertungsstempel für die neu hinzugefügte Frankatur zu Beförderung der Hindenburg genauer an, entdeckt man neben den Eintrag „New York G.P.O.“ auch die Zeitangabe: 11 Mai – 7PM. Da das Luftschiff bereits um 21:27 Uhr  des gleichen Tages am Ankermast des Hangars befestigt wurde und schließlich um 23:38 Uhr Ortszeit die Reise nach Europa antrat, ist es doch eine sehr späte Abfertigung. Schließlich liegt die General Post Office in New York mehr als 100 km nördlich des Marine Stützpunktes Lakehurst. Sicherlich sind wohl viele Poststücke im G.P.O. zur Luftschiffbeförderung eingegangen, aber die späte Uhrzeit lässt wohl einen anderen Rückschluss zu.

          In der Ausgabe des „Zeppelin Post Journals“ vom Herbst 2012 beschreibt Dieter Leder (*1) diese besondere Art der Auflieferung der Post zu den Luftschiffen. Um den Passagieren, Besatzungsmitgliedern sowie Besuchern das Aufliefern von Post zur Zeppelinbeförderung zu erleichtern, installierte man vor Ort, am Hangar des Marinestützpunktes ein temporäres Postamt. Dort wurde, ungewöhnlicher Weise, der Stempel vom New York G.P.O. zur Entwertung verwendet. Ein Novum, den eigentlich muss der Stempel den korrekten Auflieferungsort angeben.

          In diesem Postamt wurden scheinbar auch Souvenirkarten zu dem wichtigen Anlass verkauft, die gerne von den dortigen Besuchern vor Ort auch verschickt worden sind. Hier ein Beispiel für eine solche Karte aus meiner Sammlung.

          • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
          • klaus
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              Die Karte enthält die Angabe „Lakehurst 10. Mai 1936“ und wurde am 11. Mai um 4 Uhr Nachmittag entwertet. Hier ist zwar die Zeitangabe deutlich früher, aber Aufgrund der Sonderkarte und der Ortsangabe wird auch diese  Karte im temporären Postamt des Hangars des Marinestützpunktes abgefertigt worden sein.

            • klaus
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                Die Siegelseite

                Natürlich muss man sich auch die Rückseite der Belege immer genau anschauen, verbergen sich dort oft besondere Eigenheiten. So auch hier:

                Neben der restlichen Mehrfachfrankatur der amerikanischen 3 Cent Marke zu Ehren der „Mothers of America“ inklusive Entwertungstempel G.P.O. , findet man auch, wie zu erwarten, die Ankunftsstempel  der beiden Fahrten. Neben dem grünen Ankunftstempel aus Lakehurst vom Jahre 1929, ist auch der Abschlag von Frankfurt vom 14.5.36 vorhanden.

                Über der Adressangabe des Erstellers sind aber noch zwei Signaturen auf dem Brief zu finden. So kann man die Unterschriften von „Zabel“ sowie  „Ernst Huchel, Helmsmann L.S. Hindenburg erkennen. Also Unterschriften von Besatzungsmitgliedern der Hindenburg.

                Hier begann ich genauer nachzuforschen. Auf der exzellenten Internetseite „Faces of the Hindenburg“ von Patrick Russell (*2) konnte ich mehr über die beiden Personen herausfinden.

                Ernst Huchel war als Steuermann auf der Hindenburg tätig. Leider überlebte er das Unglück der Hindenburg im Mai 1937 nicht, er wurde durch die Explosion aus dem Luftschiff geschleudert und erlag seinen Verletzungen. Max Zabel war als Navigator sowie als Postbeamter auf dem Luftschiff tätig. Dadurch dürfte er zumindest bei vielen Zeppelinpostsammlern der Hindenburg Ära ein Begriff sein. Er hatte bei dem Unglück mehr Glück und überlebte das tragische Ende der LZ129.

                • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
                • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
              • klaus
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                  Fotobeweis

                  Auf meiner weiteren Suche nach Information zu den Besatzungsmitgliedern stieß ich auf die informative Website des „National Postal Museum“ in Washington D.C. (*3). Dort wurde auch ein Foto von Max Zabel,  beim signieren von Poststücken in Lakehurst, gezeigt.

                  Es dauerte wohl eine Weile bis ich begriff, was ich da eigentlich vor mir hatte. Ein junger Sammler drängt sich an Max Zabel um eine Unterschrift von einem echten Offizier des größten Luftschiffes dieser Zeit zu ergattern. Dabei war durchaus körperlicher Einsatz erforderlich wie man gut auf dem Bild erkennen kann. Aber was hält er genau vor die Kamera? Eigentlich kaum zu glauben, aber ist es nicht genau der Brief den ich soeben erworben habe?

                  Nun wollte ich natürlich sicher gehen. Dazu nahm ich Kontakt mit Dr. Cheryl Ganz, der Kuratorin des Museums im Ruhestand und jetzt begeisterte Zeppelinpost Sammlerin, auf.

                  Freundlicherweise sendete mir die hilfsbereite und sehr nette Dame mir hochauflösende Scans der Vorder- und Rückseite des original Pressefotos (*4)  welches sich in ihrer Sammlung befindet.

                  Leider konnte sie mir zu den Personen, bis auf Max Zabel selbst, keine weiteren Informationen liefern. Aber eine kleine Internetrecherche zu den Namen Hanselman wohnhaft in der Montrose Street in Newark/New Jersey (siehe Absenderangabe auf meinem Brief) ergab einen Treffer bei einer Volkszählung. Demnach wäre ein gewisser Robert C. Hanselman zum Zeitpunkt der Aufnahme 13 Jahre alt, sein Vater Christian W. Hanselman 49 Jahre alt gewesen. Ich vermute stark, beide Personen sind auf dem Foto zu sehen.

                  Auf der Rückseite des Pressefotos einer amerikanischen Tageszeitung befindet sich noch ein Teil des Zeitungsartikels, der von der Ankunft der Hindenburg in Lakehurst berichtet.

                   

                  • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
                • klaus
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                    Nun war ich mir sicher, es handelt sich um exakt den Beleg welchen ich erworben hatte! Neben der Frankatur, sowie deren Anordnung, den Luftpostumschlag inkl. Werteindruck, der Adressangabe und dem wirklich etwas außergewöhnlichen Stempel der Weltrundfahrt, den man wohl nicht so leicht auf einem Beleg der Nordamerikafahrt der Hindenburg findet,  sind es sichere Beweise für die Übereinstimmung. Natürlich sind auch die Stempelabschläge selbst identisch.

                    Somit ist es auch ein einzigartiger „Fotobeweis“ für die Auflieferung direkt am Hangar in Lakehurst beim temporären Postamt. Auf dem Foto fehlt der Sonderstempel der amerikanischen Post zur Hindenburg Fahrt von Lakehurst nach Frankfurt noch. Er wurde vermutlich ein wenig später, nachdem sich der Junge die Unterschriften von Max Zabel und Ernst Huchel geholt hat, im Postamt in Lakehurst angebracht und dem Luftschiff zur Beförderung übergeben.

                    Die Beförderung hat augenscheinlich tadellos geklappt. Wie dann die Reise dieses Briefes dann weiter gegangen ist und schließlich den Weg in meine Sammlung gefunden hat, ist eine andere Geschichte, die ich wohl leider nicht in Erfahrung bringen werde.

                • klaus
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                    Quellen:

                    *1 Zeppelin Post Journal Herbst 2012 Seite 6-9  „New York Stempel verwendet außerhalb von New York“        Verfasser: Dieter Leder

                    *2 http://facesofthehindenburg.blogspot.com/ Patrick Russell

                     

                    • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
                    • klaus
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                        *3 https://postalmuseum.si.edu/fireandice/index.html   Hindenburg/Titanic Ausstellung Washington D.C.

                        *4 Pressefoto aus Sammlung von: Cheryl R. Ganz, Ph.D. Curator of Philately Emerita Smithsonian National Postal Museum

                        Hoffe ihr habt bis hierhin durchgehalten!

                        Gruß Klaus

                        • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von klaus.
                    • westfale
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                        Hallo Klaus!

                        Herzlichen Glückwunsch zu diesem garantiert einmaligen Stück Postgeschichte!

                        Eigentlich lese ich hier im Forum maximal Beiträge zu Pionierstückenn Memorabilien und Ansichtskarten, alles andere überfliege ich nur mal so nebenbei. Diskussionen über Portostufen und vieles andere ist mir, man möge es mir nachsehen, zu viel der Erbsenzählerei – obwohl mich der detektivische Spürsinn manchen Sammlers doch fasziniert.

                        Als Museumsmensch und Ausstellungsmacher sind mir die Geschichten hinter den Objekten (“Storytelling”) wichtig. Eine unglaubwürdigere und spannendere Geschichte habe ich noch nie zu einem “schnöden Brief” gelesen.

                        Also noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Hartnäckigkeit bei der Recherche, zum unglaublichen Glück und vor allem vielen Dank für die spannende Geschichte! Sie ist es wert von einem größeren Publikum als nur hier im Forum gelesen zu werden.

                         

                         

                      • alfred
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                          Beitragsanzahl: 126

                          Hallo Klaus,

                          diesen Beitrag – von dessen Inhalt ich per „Buschtrommel“ schon gehört habe – will ich natürlich auch nicht unkommentiert lassen:

                                        Herzlichen Glückwunsch zu deinem Lieblingsbeleg!

                          Natürlich: Glück hast du gebraucht, aber es ist in deinem Fall eindeutig das Glück des Tüchtigen! Als Zeppelinpostsammler hast du meiner Meinung nach eine steile Karriere vom etwas naiven „Polarfahrtsucher“ bis hin zum echten Experten gemacht – ich freue mich sehr, dass ich dich dabei ein Stück weit begleiten konnte!

                          Dass dein Brief auch ganz nebenbei einen endgültigen Beweis dafür liefert, dass man den New Yorker Entwertungsstempel vorschriftswidrig in einem anderen Bundesstaat verwendet hat, das ist neben dem akribisch recherchierten „Social Philately“-Aspekt auch postgeschichtlich ein „Sahnehäubchen“!

                          @westfale:

                          Also noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Hartnäckigkeit bei der Recherche, zum unglaublichen Glück und vor allem vielen Dank für die spannende Geschichte! Sie ist es wert von einem größeren Publikum als nur hier im Forum gelesen zu werden.

                          Dieser Feststellung möchte ich auf alle Fälle zustimmen (1): deine Recherche mit dem glücklichen Ausgang sollte nicht nur als Artikel in der „Zeppelinpost“, der “Philatelie” und/oder der DBZ veröffentlicht werden sondern auch in einem journalistischen Medium, das nicht nur Philatelisten anspricht – eine bessere Werbung für unser Hobby wird nicht so leicht zu finden sein!

                          Herzliche Grüße, Alfred

                          (1) .. auch wenn ich nicht alle Aussagen rückhaltlos unterschreibe. Jedenfalls bin ich froh, dass du, lieber Klaus, meine eher postgeschichtliche Sicht bezüglich der Postbeförderung per Luftschiff in den 1930er Jahren teilst … (Smileys!)

                          • Diese Antwort wurde geändert vor 3 Jahren, 2 Monaten von alfred.
                        • erhardlz17sachsen
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                            Beitragsanzahl: 55

                            Hallo Klaus,

                            das Studium dieses Themas macht wirklich Spaß und passt sehr zu der Verbindung von Geschichte und den Belegen der Zeppelinpost. Da hat Alfred sehr recht, wenn er auf die mögliche Veröffentlichung dieser ganz besonderen Story in anderen Medien hinweist.

                            Wie wäre es mit einem Artikel für den Zeppelin-Brief des Freundeskreises des Zeppelin-Museums? Dort sind wir Zeppelinpost-Sammler leider noch nicht so oft präsent. Der Vorstand und die Macher in Friedrichshafen würden sich bestimmt sehr freuen. Mein Artikel zu LZ 17 ist auch gern angenommen worden.

                            Überhaupt können wir für unser Hobby eigentlich noch öfter und vielfältiger werben. Solche Geschichten wie diese machen es doch möglich und finden bestimmt viele interessierte Leser.

                            Besten Gruß Erhard

                          • klaus
                            Teilnehmer
                              Beitragsanzahl: 165

                              Hallo Zusammen,

                              vielen Dank für Euer Interesse an meinem “Lieblingsbeleg”. Für mich ist es halt ein kleines Wunder und eine außergewöhnliche Kombination aus Postgeschichte und die persönliche Geschichte die bei diesem Beleg dahinter steckt. Ich hoffe ich konnte Euch das vermitteln.

                              Mein Artikel wird wohl in naher Zukunft in der “Zeppelinpost 2021” erscheinen.

                              Ob der Artikel später evtl. in anderer Form veröffentlicht wird muss sich noch zeigen. Bis dahin werde ich noch ein wenig Forschungsarbeit zu diesem Thema leisten.

                              Viele Grüße

                              Klaus

                          Ansicht von 6 Antwort-Themen
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