Willkommen Foren LZ 127 “Graf Zeppelin” LZ 127 – Allgemeines Mischfrankaturen der Zeppelinpost Antwort auf: Mischfrankaturen der Zeppelinpost

alfred
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    Hallo zusammen,

    einen besonderen „Trick“ mit Mischfrankaturen wollte ich gerne hier thematisieren: da bekanntlich Anfang der 1930er Jahre noch keine Einschreibesendungen per Luftschiff befördert werden durften, fehlten häufig Ankunftstempel des Zielorts der Sendungen – die Beförderungsdauer per Luftschiff war zwar bekannt, nicht aber die Dauer der terrestrischen Weiterbeförderung. Insbesondere bei nach USA adressierten Sendungen wurde daher gerne – auf Briefen meist rückseitig – eine amerikanische Marke zusätzlich frankiert, in der Erwartung, dass sie am Bestimmungsort entwertet wurde.

    Einen solchen Beleg habe ich herausgesucht, für den ich schon einmal ein bemerkenswertes Feedback erhalten habe.

    Schon in meinem ersten Beitrag in diesem Thread habe ich an das leider wohl für immer verschwundene Forum „eZEPtalk“ der Zeppelin Study Group erinnert.

    Als ich dort den anliegenden per NYRBA  weiter beförderten Brief dort vorstellte, erhielt ich von meinem leider nur im Netz bekannten Freund @Saintex folgenden ausführlichen Kommentar, den ich seinerzeit zum Glück gespeichert habe:

    Hallo Alfred,

    eine grundsätzliche Bemerkung vorweg: Ich gehöre ebenfalls zu den in Deinem ersten Beitrag in diesem Thread so genannten “Puristen”, also den Sammlern, die primär Bedarfsbelege mit möglichst portogerechter Frankatur für sammelwürdig halten. Als Mischfrankaturen anzuerkennen sind für mich danach nur solche Fälle, in denen die Verwendung von Briefmarken verschiedener Staaten zur Vorauszahlung des Portos für die Beförderung des Luftpostbriefes vom Absender zu dem von diesem auf dem Briefumschlag angegebenen Empfänger aufgrund postalischer Vorschriften vorgeschrieben war oder in der postalischen Praxis zumindest geduldet wurde (z.B. Luxemburg im Zeitraum 1929 bis April 1939). Dass es sich bei dem von Dir gezeigten Beleg um eine Wiederaufgabe des Empfängers handelt, nachdem diesem der Brief in Recife zugestellt worden war, hast Du in Deinem letzten Beitrag ja selber eingeräumt. Aber in einem anderen Punkt hast Du natürlich absolut Recht. Was sammelwürdig ist und was nicht, entscheidet jeder Sammler selber und hier verbietet sich in diesem Forum jede schulmeisterliche Bevormundung.

    Trotzdem muss ich gestehen (aber bitte denunziere mich nicht bei anderen “Puristen”), dass Dein Beleg meinen detektivischen Spürsinn geweckt hat. Obwohl ich seit Jahren brasilianische Luftpost aus den 1920er und 1930er Jahren sammle, ist auch mir der Stempel “Wallace Ingham” bislang noch nicht untergekommen. Dieser Stempel ist nicht nur dem Stempel der Condor-Agentur sondern ebenfalls dem Agentur-Stempel der französischen Konkurrenz, der Aeropostale nachempfunden, wie er 1930 in Recife Verwendung fand.

    Ich habe insoweit einmal in meiner aerophilatelistischen Literatur recherchiert und bin hier in der im Jahre 1991 in den USA erschienenen Monographie zu den Erstflügen der NYRBA-Linie von Julius Grigore, Jr. [1] fündig geworden. Auf Seite 98 beschreibt der Autor einen am 20.2.1930 in Recife aufgegebenen und nach New York adressierten Erstflugbrief, der auf der Rückseite ebenfalls den “Wallace Ingham” Stempel trägt. Weiter berichtet der Autor a.a.O., dass er wegen dieses Stempels Kontakt zu einem ausgewiesenen Spezialisten der brasilianischen Luftpost, Mr. William V. Kriebel [2] aufgenommen hat. Nach Ansicht von Mr. Kriebel handelte es sich bei Mr. Wallace Ingham um einen in Recife ansässigen Spediteur (forwarding agent), der die Erstflugbelege für die NYRBA-Linie besorgte. Der Stempel “Wallace Ingham” sei privaten Ursprungs und sei nach Angaben von Mr. Kriebel bislang nur auf Erstflugbriefen der NYRBA, die in Recife aufgegeben wurden, aufgetaucht. Danach scheint zwischen Mr. Wallace Ingham und der NYRBA eine ähnliche “Symbiose” bestanden zu haben wie zwischen der Zeppelin Reederei, der Firma Sieger und dem brasilianischen Handelshaus Hermann Stoltz & Co.

    So, nun hätte sich jeder “Nicht-Purist” mit diesem Ergebnis zufrieden gegeben und hätte sich aus seiner Sicht wichtigeren Dingen zugewendet. Nicht so der “Purist”. Nun war er als Speerspitze der “wahren” Aerophilatelie gefordert weiter zu forschen!

    Das brasilianische Justizministerium hatte vor einiger Zeit das brasilianische Diario Oficial (D.O.), das ungefähr dem deutschen Bundesanzeiger und dem französischen Journal Officiel entspricht, online gestellt [3]. Da habe ich mal nach Mr. Wallace Ingham recherchiert und bin insgesamt im Zeitraum 1926 bis 1966 sechsmal fündig geworden. Im D.O. vom 12.1.1926 wird auf Seite 710 bekannt gemacht, dass Mr. Wallace Ingham zum britischen Honorarkonsul in Recife ernannt worden ist, eine Ehre, die normalerweise nur erfolgreichen Geschäftsleuten zuteilwurde. Weniger Glück hatte Mr. Ingham im Jahre 1944. Durch zwei im D.O. von Januar und Februar 1944 veröffentlichte und vom damaligen brasilianischen Präsidenten Getulio Vargas unterzeichnete Dekrete wurde Mr. Ingham als Eigentümer verschiedener Grundstücke enteignet, derer der brasilianische Staat zur Errichtung militärisch “wertvoller” Anlagen bedurfte. Die letzte Veröffentlichung erfolgte im D.O. Anfang Mai 1966 und betraf eine Änderung der Eintragung der Firma Wallace Ingham im Handelsregister in der Abteilung Tourismus und Verkehr.

    Zu Deinen Fragen im Übrigen:

    Bei den aufgeklebten Luftpostmarken in Höhe von insgesamt 3000 Reis handelt es sich nicht um private sondern um staatliche Marken (Brasilien Mi.-Nr. 280 und 283). Das UPA-Porto für Briefe betrug im Mai 1930 300 Reis [4]. Am Luftpostporto habe ich mir dann aber vergeblich die Zähne ausgebissen. Ich bin mir zwar sicher, dass die 3000 Reis den Luftpostzuschlag für die Beförderung eines Briefes bis 5 Gramm von Brasilien in die USA abdecken. Zum einen ist dies genau die Portostufe der von der brasilianischen Postverwaltung zur Eröffnung der NYRBA-Linie im Februar 1930 emittierten Luftpostmarke (Brasilien Mi.-Nr. 337). Zum anderen sind auch die meisten der bei Grigore a.a.O. [1] abgebildeten brasilianischen Erstflugbelege in die USA mit 300 Reis für das UPA-Briefporto [5] und 3000 Reis Luftpostmarken frankiert. Aber eine zuverlässige Quelle [6], die diese Vermutung bestätigt, konnte ich zumindest in meiner Bibliothek nicht finden.

    Abschließend noch eine Anmerkung zu der rückseitig aufgeklebten 2-cent Marke. Darauf, dass diese keinem postalischen Bedürfnis entsprach, hatte @Zeppelin (-> Dieter Leder) bereits hingewiesen. Nach meiner Kenntnis erhielten nicht eingeschriebene Lp.-Briefe in den USA in den 1930er Jahren keinen Ankunftsstempel mehr. Darüber hinaus berichtet Grigore a.a.O [1], dass die NYRBA die südamerikanische Post ohne gültigen Postvertrag mit der US-amerikanischen Postbehörde in die USA eingeführt hatte und es deshalb Streit zwischen der NYRBA und den Behörden gab. Aufgrund dieses “unlawful entry” sei auch beim Erstflug im Februar 1930 von den Postbehörden bewusst auf den Luftpostbriefen kein Ankunftsstempel angebracht worden. Ich vermute daher, dass die 2-cent Marke dem Zweck diente, diese Praxis zu umgehen und so doch an einen Ankunftsstempel heranzukommen, was ja auch geklappt hat. 

    Quellen:

    [1] Julius Grigore Jr., NYRBA’s Triple Crash and Outlaw Flight Covers and Postal Markings, Venice/USA 1991

    [2] William Kriebel hat selber eine Monographie zur brasilianischen Luftpost verfasst, die von der American Air Mail Society im Jahre 1996 unter dem Titel “Correio Aereo – A History of the Development of Air mail Service in Brazil” herausgegeben wurde. Es handelt sich also bei William Kriebel um einen echten “bigwig” der brasilianischen Aerophilatelie.

    [3] http://www.jusbrasil.com.br/diarios

    [4] Luiz A. Duff Azevedo, Historia Postal dos Selos Comemorativos no Brasil 1900 a 1942, Sao Paulo 2007 Seite 113 

    [5] Luiz A. Duff Azevedo a.a.O. Seite 111
    [6] Die Betonung liegt hier auf zuverlässig. Die Publikation von Mario D. Kurchan, Los secretos de las Rutas y Tarifas Aereas en Sudamerica 1928-1941, Buenos Aires 2001 enthält zwar auf den Seiten 47 und 48 Angaben zu den brasilianischen Luftpostzuschlägen für Luftpost in die USA im Jahre 1930, aber ich habe hier so meine Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit dieser Angaben.

    An einem der nächsten Tage Ende 2011 kam folgende Ergänzung:

    Hallo Alfred,

    wer suchet, der findet!

    Ich bin heute doch noch wegen der brasilianischen Luftpostzuschläge für Luftpost der NYRBA-Linie fündig geworden. Im Diario Official vom 7.2.1930 Seite 2791 u. 2792 sind sowohl die innerbrasilianischen Luftpostzuschläge als auch die Zuschläge für Luftpost in die USA veröffentlicht. Der Luftpostzuschlag betrug für Briefe und Postkarten wie vermutet
    3000 Reis, allerdings nicht pro 5 Gramm sondern pro 20 Gramm. Dieser Luftpostzuschlag galt allerdings nicht nur für die USA sondern für alle außerbrasilianischen Destinationen. Nach Ziff. 4 der dort veröffentlichten Bekanntmachung der Directoria Geral dos Correios war für die Bezahlung des Luftpostzuschlages ausdrücklich die Verwendung der staatlichen Luftpostmarken, im Übrigen die Verwendung von normalen Freimarken (sellos ordinarios) vorgeschrieben. Dein Brief ist danach vom Absender entsprechend den postalischen Bestimmungen frankiert worden.

    Möglicherweise ist für Dich auch noch der Flugplan der NYRBA-Linie von Interesse, der im Diario Official vom 6.6.1930 auf Seite 11732 veröffentlicht ist. Die Linie wurde in Süd- und Nordrichtung einmal wöchentlich beflogen. Die Flugdaten in Nordrichtung lauten auszugsweise wie folgt:

    Abflug Buenos Aires Mittwoch 8.30

    Ankunft Rio de J. Donnerstag 16.45

    Abflug Rio de J. Freitag 7.00

    Ankunft Recife Samstag 11.35

    Abflug Recife Samstag 11.55

    Ankunft Miami/USA Mittwoch 14.45

    Die vorstehenden Zeitangaben beziehen sich auf die jeweilige Ortszeit.

    MfG für 2011

    saintex

    Ein tolles Beispiel, wie hilfsbereit Sammlerfreunde sein können, auch wenn sie eigentlich ganz andere Interessen haben!

    Viele Grüße, Alfred

     

     

     

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